Die Fußballerinnen des HSV - wieder auf dem Weg nach oben?
Die Zweitliga-Fußballerinnen des HSV spielen auch im zweiten Jahr nach dem Aufstieg eine gute Rolle. Aber geht da vielleicht noch mehr? Durch die Aufstockung der Bundesliga zur kommenden Saison steigen einmalig gleich drei Zweitligisten auf - und das kommt den Hamburgerinnen sehr entgegen.
Wer vorne seine Chancen nicht nutzt, bekommt hinten einen Gegentreffer? Nicht mit Merle Kirschstein! Die HSV-Frauen bestimmten in Ingolstadt eigentlich die komplette erste Hälfte - und hätten deutlich höher als 1:0 führen müssen. Doch die Gastgeberinnen hatten urplötzlich die große Möglichkeit zum Ausgleich. Der fiel aber nicht, weil Verteidigerin Kirschstein artistisch rettete.
"Wir haben den ganzen Verein und die Verantwortlichen hinter uns. Allen ist klar, dass wir dieses Projekt nach vorne bringen wollen." Saskia Breuer, Koordinatorin Frauenfußball beim HSV
"Wie Karate-Kid" habe sie den Ball von der Linie gekratzt, beschreibt Cheftrainer Marwin Bolz hinterher und kam damit zu einer "neu gewonnenen Stärke" seines Teams im Vergleich zur vergangenen Saison: "Wir haben jetzt den Willen, zu null zu spielen und immer das Tor zu verteidigen."
Am Ende siegten die Hamburgerinnen bei den "Schanzern" mit 3:0 - und klopfen mit zuletzt zehn Punkten aus vier Spielen wieder oben an. Platz vier ist es aktuell, mit drei Punkten Rückstand auf die Aufstiegsplätze zwei und drei.
HSV mit besonderer Bundesliga-Vergangenheit
Eine Kampfansage ist vom HSV aber nicht zu hören. Bolz betont genauso wie die neue Managerin Saskia Breuer, dass die Entwicklung des jungen Teams im Fokus stehe. Auch wenn der Hamburger SV zu Beginn des Jahrtausends neun Jahre in der Bundesliga spielte und die Chance auf die Rückkehr durch die Aufstockung der Ersten Liga groß erscheint.
"Der HSV war schon mal eine ganz große Nummer im deutschen Frauenfußball. Das ist uns allen bewusst. Man muss aber auch ganz klar sagen: Das ist jetzt zwölf Jahre her", betont Breuer. Daraus seien keine großen Ansprüche abzuleiten.
Dass die Entscheider um Präsident Carl-Edgar Jarchow damals das Team aufgrund eines vergleichsweise kleinen Fehlbetrags im Etat einfach aus der Bundesliga abmeldeten, gehöre zur Geschichte des Clubs.
Aber auch in der Zweiten Liga sei das Frauenteam nun "an einem ganz anderen Standpunkt. Wir haben den ganzen Verein und die Verantwortlichen hinter uns. Allen ist klar, dass wir dieses Projekt nach vorne bringen wollen."
Junges Team mit großem Potenzial
Unter Breuers Vorgängerin Catharina Schimpf, die den Club im Sommer auf eigenen Wunsch verließ, um wenig später als Sportliche Leiterin bei Drittligist Viktoria Berlin anzuheuern, ging es vor einigen Jahren wieder bergauf. Coach Lewe Timm führte die HSV-Frauen 2023 zurück auf Bundesebene - musste danach aber überraschend gehen. Sein vormaliger Co-Trainer Bolz wurde mit gerade einmal 25 Jahren zum Chef und belegte in der ersten Zweitliga-Saison am Ende Rang vier.
Mit der ehemaligen Nationaltorhüterin Almuth Schult und Zweitliga-Torschützenkönigin Larissa Mühlhaus, die es zu Werder Bremen in die Bundesliga zog, musste der HSV viel Qualität abgeben.
Den Start in die neue Saison mit zwei Niederlagen aus den ersten vier Spielen bezeichnet Breuer als "ergebnistechnisch ein bisschen holprig". Doch mittlerweile scheint die Findungsphase abgeschlossen. "Wir müssen Fehler machen, um besser zu werden. Das haben wir in den letzten Wochen das eine oder andere Mal auch hart gespürt. Das macht uns aber als Team stärker und besser", unterstreicht die 41-Jährige.
Managerin und Cheftrainer sind davon überzeugt, dass das Team das Potenzial hat, Bundesliga-Absteiger und Spitzenreiter Nürnberg am kommenden Sonntag (14 Uhr) auf Augenhöhe zu begegnen. Das Spiel sei "ein echter Gradmesser", so die Managerin.
Neue Heimspielstätte spornt zusätzlich an
Die Partie findet auf Platz 6 am Volksparkstadion statt. Der Club hat aus der Not - der Sportpark Eimsbüttel wird umgebaut und steht deshalb erst einmal nicht mehr zur Verfügung - eine Tugend gemacht. Bis zu 650 Zuschauer können die Partien im Schatten des großen Stadions verfolgen. "Wir strahlen mit diesem neuen Spielort als Verein aus, dass wir noch enger zusammenrücken", beschreibt der 26-jährige Bolz.
"Neben dem Volksparkstadion zu spielen, erfüllt uns mit Stolz und spornt uns an, Topleistungen zu liefern." HSV-Trainer Marwin Bolz
Sollte es mit dem Aufstieg klappen, fängt die Suche nach einer neuen Spielstätte aber von Neuem an. Um die Bundesliga-Lizenz des DFB zu bekommen, sind auch mit Blick auf das Stadion härtere Zulassungsvoraussetzungen zu erfüllen. "Wir prüfen die Optionen", sagt Breuer dazu. Wohl wissend, dass es schon jetzt schwierig war, die Suche zu einem erfolgreichen Ende zu bringen.
Dass es aber mit Platz 6 geklappt hat, wertet die Managerin auch als Zeichen dafür, dass die HSV Fußball AG die Frauen voll unterstütze und dass alle an einem Strang ziehen. Seit Längerem wird diskutiert, ob die Frauenabteilung auch aus dem eingetragenen Verein ausgegliedert und Teil der AG werden. Breuer: "Diese Überlegungen gibt es. Wir müssen schauen, welcher Weg perspektivisch am meisten Sinn macht." Dies sei ein Prozess - und der brauche noch Zeit.
Harte Brocken mit Nürnberg, Bochum und Union Berlin
Die Erstliga-Rückkehr könnte die Entwicklung beim HSV in allen Belangen beschleunigen. "Wir setzen uns sehr viel mit Entwicklung und Spitzenfußball auseinander. Deshalb ist die Bundesliga für uns Orientierung. Das ist die Benchmark, die wir erreichen wollen", erklärt Bolz.
Die Realität ist aber Liga zwei - und der Weg zum Aufstieg lang. "Die Liga ist definitiv stärker geworden", sagt der Trainer mit Blick auf Bundesliga-Absteiger Nürnberg sowie die starken Aufsteiger aus Bochum und Berlin. "Die meinen es auch ernst mit dem Frauenfußball, investieren und haben zusätzliche Qualität in die Liga gebracht."
HSV-Coach Bolz: Vierter Platz? Nicht noch einmal!
Aber auch sein Team habe eine hohe Qualität. Defensiv wie offensiv, was 21:7 Tore in den zehn Ligaspielen zeigen. Und auch wenn Bolz das Wort "Aufstieg" nicht in den Mund nimmt, ist er nach dem vierten Platz in der vergangenen Saison durchaus selbstbewusst: "Wir stehen als Trainerteam dafür, dass wir selten das Gleiche machen. Und das wollen wir auch dieses Jahr nicht."
Schon einen Platz besser abzuschneiden, wäre in dieser Saison gleichbedeutend mit dem Bundesliga-Aufstieg. Und wie lautet eine andere Fußball-Weisheit: Die Offensive gewinnt Spiele, die Defensive entscheidet Meisterschaften. HSV-Verteidigerin Merle Kirschstein lässt grüßen.